Mönchengladbacher Erklärung gegen die geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt für das SGB II

19.09.2023 Mönchengladbach schlägt Alarm und schließt sich der Wuppertaler Resolution an! Mit den aktuell geplanten massiven Einsparungen im SGB II droht ein dramatischer Abbau von Qualifizierungs- und Beschäftigungsplätzen für Langzeitarbeitslose und für die Gruppe der jungen Menschen unter 25 Jahren!

Der Mönchengladbacher Volksverein fordert die NRW Bundestags- und Landtagsabgeordneten sowie die arbeitsmarktpolitischen Partner auf, sich in den Beratungen zum Bundeshaushalt gegen die geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt für das SGB II einzusetzen.

Aktuell geplante Kürzungen im Bundeshaushalt für SGB II gefährden den sozialen Arbeitsmarkt, verschärfen Armut und erhöhen Jugendarbeitslosigkeit!
Am 29.06.2023 informierte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Bezug auf die Ressortabstimmung zum Bundeshaushalt 2024, dass der Eingliederungstitel im SGB II zunächst um 500 Mio. Euro gekürzt werden soll. Ab dem Jahr 2025 soll zudem die Zuständigkeit für die Arbeitsförderung von SGB II-Empfänger*innen unter 25 Jahren weg von den Jobcentern hin zu den Agenturen für Arbeit nach dem SGB III übertragen werden, um das SGB II-Budget um weitere 900 Mio. € zu entlasten. In Mönchengladbach gelten derzeit 2292 (Juli 2023) junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren als arbeitslos.
Die geplanten Kürzungen des Budgets ignorieren massiv den aktuellen Wandel der finanziellen Rahmenbedingungen: stetig wachsende Personal- und Verwaltungskosten im Zuge der Tariferhöhungen, zunehmende Digitalisierungsbedarfe, Inflation und allgemeine Teuerung. Zusätzlich konterkarieren sie mit der Übertragung der Zuständigkeit des Personenkreises U25 die fachlich angezeigte und jahrelang etablierte, ganzheitliche Betreuung von Bedarfsgemeinschaften und Familien sowie die damit einhergehenden bedarfsgerecht entwickelten Instrumente, insbesondere für schwer zu erreichende und besonders von Armut gefährdete junge Erwachsene.
Exemplarisch – was in Mönchengladbach geschaffen wurde
In Mönchengladbach konnte trotz Pandemie, aufgrund vieler ineinandergreifender Instrumente im Jahr 2022 ein deutlicher Rückgang von Menschen im Langzeitleistungsbezug erreicht werden.
Die Erschließung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen konnte im Rahmen des Teilhabeerschließungsgesetztes für marktferne und besonders langfristig Arbeitslose ausgebaut werden. Diesen am Arbeitsmarkt besonders benachteiligten Personen konnten hierdurch wieder Strukturen gegeben und Teilhabe am Arbeits- und am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden.

Das Jobcenter leistet einen wesentlichen Beitrag gegen Jugendarbeitslosigkeit und für die Fachkräftesicherung!
In Mönchengladbach besteht eine Kooperation des Jobcenters mit dem Fachbereich Kinder, Jugend und Familie. In einem gemeinsamen Projekt werden schwer zu erreichende junge Menschen, die jegliche Anbindung an das Unterstützungssystem verloren haben in den Fokus genommen.
Weiterhin gibt es das Projekt JIM- Jugend im Mittelpunkt, wo junge Menschen strukturierte Berufswegeplanung erarbeiten können.
Durch den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt, der Arbeitsagentur und dem Jobcenter Mönchengladbach und der räumlichen Zusammenlegung, der an der Jugendagentur beteiligten Partner konnte eine Jugendagentur, als gemeinsame Anlaufstelle für junge Menschen unter 25 Jahren, auf den Weg gebracht und wichtige Weichen für die Abstimmung der operativen Arbeit geschaffen werden.
Das Thema Gesundheit ist eines der häufigsten Vermittlungshemmnisse und häufig eine Herausforderung im Integrationsprozess. Auch hier gibt es Projekte, die Angebote der Arbeits- und Gesundheitsförderung miteinander verzahnen, so dass die Chancen auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erhöht werden
Die Idee der Bürgergeldreform wird konterkariert
Die Bürgergeldreform hat viele Dinge gesetzlich verankert, die in Mönchengladbach oftmals schon gelebte Praxis gewesen sind. Die Beratung auf Augenhöhe, der Blick auf die gesamte Familie oder auch Arbeiten in interdisziplinären Teams sollten dadurch, so zumindest die Idee der Reform, auf eine verlässliche Basis gestellt werden.
Mit der möglichen Übertragung des U25-Bereichs auf die Arbeitsagenturen würde der ganzheitliche Ansatz der Bürgergeldreform konterkariert. Es steht zu befürchten, dass gerade schwächere junge Menschen und junge Neuzugewanderte mit erhöhtem Unterstützungsbedarf die Leidtragenden einer solchen Entscheidung sind.
Weniger Geld für mehr Aufgaben bei extrem ansteigenden Kosten: Ein massiver Abbau der Angebotsstruktur wäre unausweichlich!
Der Bedarf an Förderung ist ungebrochen hoch: In Mönchengladbach ist die Zahl der Menschen im Langzeitleistungsbezug mit 11130 Personen (Stand Juli 2023) enorm. Die Arbeitslosenquote beträgt 9,7% (ebd.). Die Zahl der Unterbeschäftigten liegt bei 36872 (ebd.) und liegt damit bei 9,4%. Damit belegt Mönchengladbach im bundesweiten Vergleich einen Spitzenplatz.
Die Tarifsteigerungen erhöhen die Personalkosten sowohl des Jobcenters Mönchengladbach als auch der Träger dramatisch. Konsistente politische Entscheidungen müssen tarifliche Personalkostensteigerungen sowie inflationsbedingte Kostensteigerungen zeitnah refinanzieren. Das Budget des Kostenträgers muss so ausgestattet sein, dass dies möglich ist und eine Zukunftsperspektive geschaffen wird.

Zum 01.06.2022 wurden die ukrainischen Geflüchteten in der Betreuung den Jobcentern übertragen. In Mönchengladbach leben etwa 3000 Ukrainer. Diese Bedarfsgemeinschaften verfügen über diverse Beratungs- und Unterstützungsbedarfe. Zur adäquaten Betreuung und Integration wurden jedoch keine weiteren Ressourcen zur Verfügung gestellt.
Um auch in Zukunft professionelle und zuverlässige Arbeit für und mit Menschen anbieten zu können, ist eine auskömmliche Finanzierung und bedarfsgerechte Ausstattung mit qualifiziertem Fachpersonal notwendig. Die Berücksichtigung der Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, der Wohlfahrtspflege und freier Träger ist zwingend erforderlich.
Die Überlegungen zu entsprechenden Kürzungen im Bundesaushalt für das SGB II sind demnach mit aller Deutlichkeit abzulehnen. Wir fordern Sie auf, sich in den Beratungen zum Bundeshaushalt 2024 für eine Erhöhung der Haushaltstitel ‚Leistungen zur Eingliederung in Arbeit‘ und ‚Verwaltungskosten zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende‘ einzusetzen und den Planungen, die Zuständigkeit für die Arbeitsförderung von SGB II- Empfänger*innen unter 25 Jahren, entschieden entgegen zu treten!

Unterzeichnende Organisationen und Institutionen: Volksverein Mönchengladbach, Bündnis für Menschenwürde und Arbeit, Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach, Arbeitslosenzentrum Viersen, Caritasverband Region Mönchengladbach e.V., DGB Stadtverband Mönchengladbach, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mönchengladbach und Lebenshilfe Mönchengladbach.