Geschichte und Idee

"Teilen macht reich" - das ist das programmatische Motto des "Volksverein Mönchengladbach". Der Volksverein setzt Zeichen für soziale Reform und gesellschaftliche Erneuerung.

Geschichte


Die historischen Wurzeln des "Volksverein Mönchengladbach" liegen im sozialreformerischen Wirken des ehemaligen "Volksverein für das katholische Deutschland" (1890-1933).

Dem alten Volksverein ist es zu verdanken, dass Mönchengladbach als Heimat des sozialen und politischen Katholizismus gilt. Nachdem am 24.10.1890 von einigen katholischen Honoratioren in Köln der "Volksverein für das katholische Deutschland" gegründet wurde, richtete man die Zentralstelle des Vereins am Wohnort des ersten Vorsitzenden, Franz Brandts, ein - also in Mönchengladbach.

Eine interessante kindgerechte Zeichentrickdarstellung zum historischen Volksverein finden Sie auf youtube.


Unter Förderung des historischen Volksvereins entstanden christliche Gewerkschaften, welche die Arbeiter organisierten, sowie christliche Konsumgenossenschaften, welche die Arbeiterinnen und Arbeiter als Verbraucher betreuten. So wuchs schließlich auch ein großer Bildungs- und Informationsbetrieb welcher die - vor dem 1. Weltkrieg - über 800.000 Mitglieder des Volksvereins in sozialen und religiösen Fragen unterwies. Der Weg der Sozialreform war damals der Versuch, gegen den liberalen Manchesterkapitalismus eine praktische Lösung der sozialen Frage anzustreben, die christlichen Grundvorstellungen entsprach.

Die Organisation des Volksvereins wurde 1933 durch den Nationalsozialismus zerstört. Erhalten blieb lediglich die große Bibliothek des Volksvereins, die heute in der  Mönchengladbacher Stadtbibliothek auch weiter benutzt werden kann.

Gegenwart


Die Gründungsüberlegungen für den "Volksverein Mönchengladbach" gemeinnützige Gesellschaft gegen Arbeitslosigkeit mbH basierten auf Inhalten und Ideen, die nach dem II. Vatikanischen Konzil in den 70er Jahren ein gewandeltes Verständnis von Kirche in der Welt wahrnahmen.

Ein Meilenstein war der Katholikentag 1974 in Mönchengladbach, der unter dem Motto "Für das Leben der Welt" eine klare Aussage traf: "Die Kirche ist für die Welt da!"

Im Kontext dieses gesellschaftlichen und kirchenpolitischen Umfelds wurde im April 1983 der Volksverein nach einer mehrmonatigen Vorbereitungsphase gegründet. Ein Zitat aus dem Gesellschaftsvertrag stellt klar, worum es den über 70 Kirchenleuten ging, die damals schon ihre Unterstützung zugesagt hatten: "Hilfe für Arbeitslose, die aufgrund ihrer langen Arbeitslosigkeit den geistigen und seelischen Belastungen ohne fremde Hilfe nicht mehr gewachsen sind".

In einer angemieteten Fabrikhalle nahm am 15. Juni 1983, dem Fest des Heiligen Vitus, des Patrons der Stadt und des Münsters, der Volksverein die praktische Arbeit auf. Im Jahr 1996 zog der Betrieb in eine neue und größere Betriebsstätte auf der Geistenbecker Straße 107. Diese Betriebsstätte hatte die Hauptpfarre erworben. Auch dieser Ort stand als ehemaliger Textilbetrieb im Zeichen der Strukturkrise der Textilindustrie am linken Niederrhein und damit in direkter Beziehung zur Struktur der Arbeitslosigkeit in dieser Region.
Der Volksverein hatte die Zahl der Plätze für Teilnehmerinnen und Teilnehmer seit 1996 von damals 60 auf zwischenzeitlich 140 Plätze aufgestockt.

Dank einer Erbschaft und einer Spendenkampagne konnten im Jahr 2007 und 2008 ein an das bisherige Betriebsgelände angrenzendes Grundstück angekauft und durch einen Systembau bebaut werden. Damit wurde Raum frei für Umkleide und Pausenräume für die Teilnehmerinnen. Zusätzlich konnte eine große Küche errichtet werden, die als Lehrküche im Frühjahr 2009 in Betrieb genommen wurde.

... und Zukunft


Der "Volksverein Mönchengladbach" stellt sich gemeinsam mit anderen Engagierten in den Kirchen und in der Gesellschaft der Herausforderung, Langzeitarbeitslosigkeit und deren individuelle Folgen zu bekämpfen. In einer Zeit, in der die allgemeine (Wirtschafts- und) Finanzkrise die Erwartungen und Hoffnungen der Menschen ohnehin stark begrenzt ist die Strukturkrise der Textilindustrie beginnend in den 80er Jahren immer noch in Mönchengladbach  gravierend spürbar. Die Arbeitslosigkeit liegt regional 3- 4% über dem Bundesschnitt, die Langzeitarbeitslosigkeit stagniert auf sehr hohem Niveau.

Der mit den Hartz-Gesetzen beschrittene Weg der Entsicherung von Arbeitsverhältnissen, der Flexibilisierung, von Zeitarbeit und Niedriglöhnen, hat den Charakter von Arbeit und Wirtschaften radikal verändert. Trotz scheinbar guter Bewältigung der Krise – so wird es von vielen zumindest im internationalen Vergleich betrachtet – ist gerade durch die Form der Krisenbewältigung der Faktor Arbeit, und die Situation der sie verrichtenden Menschen, immer prekärer geworden. Daneben hat sich insbesondere in der Region die Langzeitarbeitslosigkeit auf hohem Niveau stabilisiert. Der politische Wille zur Integration Benachteiligter in Gesellschaft und Arbeitswelt ist kaum vorhanden.

Angesichts dieser Situation stellt die Zukunft mindestens eine Herausforderung auf folgenden Ebenen dar:

  • Die prekäre Situation von Armut und Arbeitslosigkeit betroffener Mitbürgerinnen und Mitbürger, macht die Forderung noch drängender, das gerade die Stimme mit denen und für die erhoben werden muss, die Angesichts stagnierender Arbeitslosigkeit jetzt noch stärker an den Rand des Arbeitsmarktes und damit auch an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
  • Der Volksverein muss experimentieren und dabei Handlungsfelder finden, die mit leistungsgeminderten Langzeitarbeitslosen erbracht werden können. Dabei besteht eine Herausforderung zwischen betriebswirtschaftlichem Handeln und der Zielsetzung, den langzeitarbeitslosen Frauen und Männern eine angemessenes Angebot angepasster Arbeit anbieten zu können. Bei der Entwicklung der Handlungsfelder bedarf es darüber hinaus des Blicks auf unsere mit  Ressourcen begrenzte Umwelt und den verantwortlichen Umgang mit dieser Umwelt.
  • Angesichts der dramatischen Kürzung der Mittel für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Integrationsleistungen ist die Solidarität der Unterstützerinnen und Unterstützer des Volksvereins noch dringender. Der Leitsatz des Volksvereins gewinnt noch mehr an Bedeutung: teilen macht reich.  


Kein Zweifel: Der "Volksverein Mönchengladbach" wird sich auf Zukunft hin die Frage stellen, ob die von ihm 1983 formulierten Ziele und gewählten Arbeitsansätze ausreichen. Er wird überlegen, wie er selbst bzw. in Kooperation mit anderen langfristige dauerhafte Hilfen für möglichst viele von Langzeitarbeitslosigkeit betroffene Frauen und Männer schaffen kann. Dabei ist er sowohl auf ideelle, als auch materielle Hilfe angewiesen. Diese Hilfe wird wichtig bleiben, denn alle Zukunftsszenarien weisen darauf hin, dass Langzeitarbeitslosigkeit auch in Zeiten demographischen Wandels das zentrale gesellschaftliche Problem bleiben wird.

Die Arbeit des Volksvereins und Ihre Unterstützung derselben sind so ein Beitrag beim Kampf gegen die Spaltung unserer Gesellschaft und für ihre menschenfreundlichere Entwicklung.